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Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina)

Aktualisiert am: 27.03.2023
EU-Code:

Invasivität

Auswirkungen auf Flora und Fauna

Die Späte Traubenkirsche schränkt in Wäldern durch die Ausbildung einer dichten, geschlossenen Strauchschicht in zuvor lichten Beständen die Entwicklung der Krautschicht und die Verjüngung der Bäume erheblich ein. Da die Späte Traubenkirsche eine Halbschattbaumart ist, verjüngt sie sich vor den Lichtbaumarten Eichen, Eberesche und Kiefer, dunkelt sie aus, sodass die Verjüngung dieser Gehölze durch das Vorkommen der späten Traubenkirsche nachhaltig gestört wird. Dies hat Auswirkungen auf die gesamte Lebensgemeinschaft Licht liebender Arten, einerseits durch das Verschwinden der Schlüsselarten, zum Beispiel Eiche, andererseits durch eine starke Veränderung des Lichtklimas. Neben der Beschattung hemmt Prunus serotina zusätzlich das Keimwurzelwachstum anderer Pflanzen durch allelopathisch wirkende Substanzen. Bei der Ausbreitung in Wäldern trifft die Art aufgrund ihres starken Längenwachstums kaum auf Konkurrenz. Da sie bei Blattverletzungen Gifte entwickelt, wird sie vom Wild kaum verbissen und hat so einen zusätzlichen Selektionsvorteil. Besonders poblematisch für den Naturschutz sind Vorkommen der Späten Traubenkirsche in lichten Kiefern- und Eichen-Waldgesellschaften auf Sandböden und den dort assoziierten Heiden und Sandmagerrasen. In den Offenlandbiotopen beschleunigt die Späte Traubenkirsche die Gehölzsukzession, wodurch die Schutzziele empfindlich beeinträchtigt werden. Durch Verdrängung und Beschattung kann die Späte Traubenkirsche spezialisierte und gefährdete Tier- und Pflanzenarten lokal zum Aussterben bringen. Lichte Kiefern- bzw. Eichenwaldgesellschaften sind durch die Ausbreitung der Späten Traubenkirsche gefährdet.

Die Auswirkungen auf die Tierwelt sind noch nicht hinreichend bekannt. Einerseits stellt die Späte Traubenkirsche für verschiedene Insektengruppen und Vögel eine wertvolle Nahrungspflanze dar (FOTOPOULOS & NICOLAI 2002, KOWARIK 2003), andererseits verschiebt sie die Konkurrenz- und Mengenverhältnisse innerhalb der Vegetation und Tierwelt, was sich negativ auf stärker spezialisierte Insektenarten auswirken kann.

Auswirkungen auf menschliche Gesundheit

Alle Teile der Pflanze sind giftig, davon ausgenommen ist wahrscheinlich das Fruchtfleisch der reifen Früchte, das zunächst süßlich schmeckt, dann aber einen unangenehmen Nachgeschmack hat. Die Giftwirkung beruht auf dem Vorkommen des cyanogenen Glykosids Prunasin, das bei Gegenwart von Wasser die für Mensch und Tier sehr giftige Blausäure abspaltet. Besonders hoch ist der Giftgehalt in Rinde und Samen (Steinkern). Er soll bei der Späten Traubenkirsche insgesamt deutlich höher liegen als bei der heimischen Gewöhnlichen Traubenkirsche (Prunus padus). Der Verzehr giftiger Pflanzenteile (z. B. unreifer Früchte) kann zu Vergiftungserscheinungen führen, die z. B. Erregungszustände, ein rotes Gesicht, verstärkte Atmung, Kratzen im Hals und Kopfschmerzen hervorrufen. Die Aufnahme großer Mengen kann sogar zu Atem- und Herzstillstand führen (ROTH et al. 2008). Solch ernsthafte Vergiftungen bei Menschen sind aber eher unwahrscheinlich. Einerseits verlocken Blätter und Rinde nicht zum Verzehr, andererseits werden reife Früchte aufgrund des widerlichen Nachgeschmacks nicht in großen Mengen gegessen. Inwieweit reife Früchte in rohem Zustand überhaupt eine Giftwirkung ausüben können, ist strittig.

Wirtschaftliche Auswirkungen

In Wäldern verursacht die dichte Strauchschicht der Späten Traubenkirsche Bewirtschaftungsprobleme, da Arbeiten im Wald wie auch die Neuanlagen von Kulturen behindert werden. Die ohnehin schlechte Naturverjüngung von Eichen und anderer heimischer Baumarten wird unterdrückt und selbst die Anpflanzung von Buchen gestaltet sich schwierig unter dem Schirm der Späten Traubenkirsche. Die forstlichen Erwartungen, die ursprünglich in die Spätblühende Traubenkirsche gesetzt wurden, haben sich jedenfalls nicht erfüllt. Absägen, Ringeln oder Heppen dagegen sind aufwändig und kostspielig und reduzieren selbst nach 14 Jahren wiederholter Beseitigung nicht die Vitalität des Neuaustriebs (Annighöfer & Ammer 2014). Der hohe Aufwand und die geringen Erfolgsaussichten bei der mechanischen Bekämpfung veranlassen die Forstpraxis mehr und mehr zu einer Strategie des Belassens und gezielten Voranbaus mit Schattbaumarten.